Projektbeschreibung

Die zunehmende Vernetzung von Menschen und Dingen, Stichwort "Internet of Things", wird in den kommenden Jahren in immer höheren Maße auch unser Verkehrssystem erreichen. Der permanente Austausch von Daten und Informationen zwischen Verkehrsteilnehmern und Straßeninfrastruktur soll zu einem sichereren und effizienteren Ablauf des Verkehrsgeschehens beitragen und stellt auch eine wichtige Grundlage für automatisiertes Fahren dar. Es wurden zahlreiche Iniativen von Politik und Industrie gestartet, die diese Entwicklungen, oftmals unter der Bezeichnung "C-ITS" (Cooperative Intelligent Transportation Systems), vorantreiben sollen [1][2].

Beispielhafte Anwendungen in einem vernetzten Verkehrssystem sind etwa der Austausch von Verkehrsinformation (z.B. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Spurführung), lokaler Gefahrenmeldungen (z.B. Unfälle, Stauenden), die exakte und dynamische Lokalisierung von Wanderbaustellen, oder auch kooperatives Fahren ("Platooning").

Ein hochgradig vernetztes und automatisiertes Verkehrssystem setzt genaue und aktuelle digitale Straßengraphen voraus, die auch die Position einzelner Fahrstreifenmittelachsen exakt modellieren, um fahrstreifenspezifischen Informationen georeferenzieren zu können. Im Kontext des automatiserten Fahrens werden hochgenaue digitale Straßengraphen zudem als a priori Information benötigt, damit ein Fahrzeug seine eigene Position relativ zur Straße positionieren kann und so möglichst vorausschauend eine Fahrtrajektorie planen kann [3].

Gängige digitale Straßengraphen sind jedoch in geometrischer und topologischer Hinsicht stark generalisiert dargestellt. So wird eine Straße in der Regel durch eine einzige geographische Entität repräsentiert, unabhängig von Fahrstreifenanzahl und Fahrtrichtung (siehe Abbildung) [4]. Für die Kommunikation zwischen Infrastrukturelementen und Fahrzeugen (Car2x) fehlen somit digitale fahrstreifenfeine Straßentopologien, auf die Meldungen bzw. Fahrzeuge im Einflussbereich von straßenbezogenen Infrastruktureinheiten (Road Side Units, RSU) nach standardisierten Verfahren hochgenau referenziert werden können [5].

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Im Forschungsprojekt LaneS wurde ein Verfahren entwickelt, welches hochgenaue, fahrstreifenfein modellierte Straßengraphen automatisiert aus konventionellen GNSS-basierten Fahrzeugtrajektorien generiert. Dadurch werden vergleichsweise geringe Anforderungen an Eingangsdaten gestellt. Auf Grund der weitreichenden Verbreitung von GNSS-Receivern, insbesondere durch Smartphones, können fahrstreifenfeine Straßengraphen somit vergleichsweise einfach und kostengünstig generiert werden (siehe Abbildung). Das Projektkonsortium wird aus den Forschungspartnern TraffiCon – Traffic Consultants GmbH aus Salzburg, dem Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Technischen Universität Graz, dem Kompetenzzentrum virtuelles Fahrzeug (ViF) aus Graz und pwp-Systems aus Bad Camberg sowie dem Anwendungspartner Siemens AG in Graz gebildet.

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Die Positionsgenauigkeit und Anwendbarkeit für die statistische Ableitung eines fahrstreifenfeinen Straßengraphens aus GNSS-Daten, welche in mehreren Messkampagnen auf drei unterschiedlichen Straßenkategorien in und um die Stadt Graz aufgezeichnet wurden, wurden evaluiert. Bei den Messfahrten wurde unterschiedliche Messsensorik zur FCD-Generierung verwendet, unter anderem handelsübliche Smartphones und GPS-Logger, aber auch ein hochpräzises differentiales D-GPS-Messsystem kombiniert mit hochwertiger Inertialsensorik, dessen Daten vor allem als Referenzgrundlage herangezogen werden. Bezogen auf die Datengrundlage im Projekt wurde der Fokus auf messbasierte, selbstgenerierte FCD gelegt, die zur Auswertung herangezogen werden.

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Durch statistische Auswertungen der aufgezeichneten Daten konnten Feststellungen zu er­warten­den Distanz- und Streuungsmaßen sowie zu lateralen Abweichungen von GNSS-Positionsdaten aus unterschiedlichen Messgeräten und unter verschiedenen exogenen Bedingungen getroffen werden, die in weiterer Folge in der Methodenbildung und Kalibrierung des Algorithmus zur datenbasierten Erstellung eines fahrstreifenfeinen Straßengraphens berücksichtigt wurden.


Ein beispielhaftes Detailergebnis soll die Resultate des entwickelten Verfahrens zur Ableitung von Fahrstreifenmittelachsen in der Folge verdeutlichen. In grüner Farbe sind die als Inputdaten genutzten GNSS Trajektorien dargestellt. Die rotweiße Linie repräsentiert den Verlauf des Referenzgraphen, der aus hochgenauen Messungen generiert wurde. Die schwarzen Linien stellen die äquidistanten Straßenquerschnitte dar, für die jeweils die Positionen der Fahrstreifenmittelachsen aus den Daten geschätzt wurden. Dabei ist jeweils eine Linie gelb dargestellt.

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Für diese ist die Diagrammdarstellung der Kerndichteschätzung abgebildet. Auf der Ordinate ist die über das Kerndichteschätzungsverfahren ermittelte Dichte der Schnittpunkte von GNSS Trajektorien mit der Straßenquerschnittslinie aufgetragen, die Abszisse führt die X-Koordinaten (WGS 84) der Dichteschätzungen entlang der Straßenquerschnittslinien an. Die Kurve stellt das Ergebnis der Dichtefunktion dar. Ausgeprägte Maxima repräsentieren hohe Dichteschätzungen von GNSS Trajektorien, während Minima niedrige Dichteschätzungen darstellen. Entsprechend der grundlegenden Annahme, dass Fahrer bestrebt sind, ihr Fahrzeug möglichst entlang der Fahrbahnmittelachse zu navigieren, indizieren Dichtemaxima an Fahrzeugtrajektorien die Position einer Fahrstreifenmitte, während Dichteminima den Fahrstreifenrändern entsprechen.

Aus dem Diagramm lässt sich erkennen, dass durch die Dichtefunktion mehr Maxima und Minima geschätzt werden als Fahrstreifen vorhanden sind. Dies ist auf das beabsichtigte Undersmoothing der Bandbreite zurückzuführen, welches auf Grund der Ungenauigkeiten der Positionsbestimmung der eingesetzten GNSS Receiver erforderlich ist. Dies resultiert unter Umständen in stark ausgeprägte Dichtemaxima, die jedoch keiner tatsächlichen Fahrstreifenmittelachse entsprechen. Der Algorithmus ist jedoch in der Lage, aus den Distanzverhältnissen der Dichtemaxima untereinander das korrekte Set an Dichtemaxima auszuwählen. Es ist sichtbar, dass in dem angeführten Beispiel eine hohe Übereinstimmung der Positionen der geschätzten Fahrstreifenmittelachsen mit der Referenzmessung vorliegt. Ebenso können aus den Abstandsverhältnissen nur schwach ausgeprägte Dichtemaxima, korrekt als Fahr­streifen­mittelachsen erkannt und stärker ausgeprägte, jedoch inkorrekte, Dichtemaxima ausgeschlossen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Ungleichverteilung der Grundgesamtheit von GNSS Trajektorien je Fahrstreifen vorliegt oder wie im angeführten Beispiel große Streuungen in den Daten auftreten.

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Die Lagegenauigkeit wurde durch einen Abgleich mit den hochpräzisen Trajektorien (Referenzgraph) auf Basis von D-GPS Messungen evaluiert. Generell ist das Ergebnis dabei sehr vielversprechend. Betrachtet man den Median der Distanzen dann ist die Lagegenauigkeit auf der Schnellstraße S35 am höchsten (Abweichung < 20cm). Auf der dreistreifigen Autobahn A2 sind die Abweichungen am zweiten und dritten Fahrstreifen im Median zwischen 22cm und 30cm, und am ersten Fahrstreifen etwas höher (bis zu 47cm). Am geringsten ist die Lagegenauigkeit auf der innerstädtischen Triesterstraße (Median zwischen 26cm und 88cm), jedoch war hier die Datenbasis deutlich kleiner (110 Trajektorien) als bei den anderen beiden Straßenstücken (273 bzw. 200 Trajektorien). Die Standardabweichung liegt bei allen Streckenabschnitten im Bereich von 0.61-1.54m.

Bezüglich der Fahrstreifenanzahl liegt bei den meisten untersuchten Strecken die korrekte Erfassung bei über 90%. Geringere Anteile sind nur am dritten Fahrstreifen auf der A2 in beiden Richtungen erkennbar (77,6% bzw. 88,8%). Das verdeutlicht, dass die Methode bei zweistreifigen Straßen zum Großteil die Anzahl der Fahrstreifen korrekt erkennt und bei Straßen mit mehr als zwei Fahrstreifen hier Probleme auf dem äußersten Fahrstreifen auftreten. Betrachtet man die Gesamtheit aller Querschnitte (Lotgeraden), dann wurde der Fahrstreifen bei 91,7% korrekt, bei 6,3% falsch und bei 2,0% nicht erkannt.


Basierend auf den Einsatzmöglichkeiten fahrstreifenfeiner Straßengraphen aus (x)FCD werden deren Anwendbarkeit für die öffentliche Verwaltung, Straßenbetreibern, Mobilitätsdienstleistern sowie der Automobilindustrie aufgezeigt. Die steigende Zahl an Fahrerassistenzsystemen, (Verkehrs-) Steuerungssystemen sowie Informationssystemen von Fahrzeug und Fahrbahn weisen auf ein großes Marktpotential für “LaneS“ hin. Die umfangreiche wirtschaftliche Verwertbarkeit von fSg mit Fokus auf fSg aus FCD für die unterschiedlichen Akteure wird hier analysiert.

Durch eine Gegenüberstellung der Anforderungen an einen fSg und den Ergebnissen aus der Erzeugung von fSg aus FCD erfolgt eine Abschätzung hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwertbarkeit von „LaneS“. Dazu werden die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken mittels SWOT-Analyse betrachtet. Die Qualität von “LaneS“ hinsichtlich zukünftiger IVS-Anwendungen (IVS, Intelligente Verkehrssysteme) wird durch Marktrecherchen bzw. Expertenbefragungen aus der Automobilindustrie, Straßen- und Infrastrukturbetreibern und Mobilitätsdienstleistern analysiert. Aus der SWOT-Analyse sowie der Marktrecherche werden der technologische Entwicklungsbedarf sowie eine Abschätzung der Verwertbarkeit und des Verwertungspotentials von “LaneS“ für die unterschiedlichen Akteure abgeleitet. Durch ein Kooperationsmodell soll dargestellt werden, wie die unterschiedlichen Akteure über “LaneS“ voneinander profitieren können.

Als Ergebnis wurden 2 mögliche Kooperationsmodelle zur Nutzung des fSg identifiziert. Eine einfache Kooperation könnte zwischen einem Straßenbetreiber und einem fSg Hersteller entstehen. Der Straßenbetreiber liefert FCD aus seiner Fahrzeugflotte und bekommt dafür einen fSg den er z.B. zur fahrstreifenfeinen Dokumentation und zur Analyse und Planung seiner Tätigkeiten einsetzen kann. Der Kartenhersteller bekommt die für die Generierung der Karten notwendigen FCD und liefert einen fSg. Den generierten fSG kann er in anderen Geschäftsmodellen gewinnbringend vermarkten. Das zweite Kooperationsmodell besteht aus deutlich mehr Kooperationspartnern. Hier spielen private Fahrzeugnutzer, Mobilitätsdienstleister, Straßen und Infrastrukturbetreiber, die öffentliche Verwaltung und fSg-Hersteller eine Rolle.

Private Fahrzeuge nutzen Dienste, z. B. Stauwarner und Baustelleninformationen von Mobilitätsdienstleistern, und liefern FCD zurück. Mobilitätsdienstleister reichen FCD an den fSg Hersteller weiter und bezieht von diesem einen fSg. Zusätzlich kann er aktuelle Informationen (Baustellen, Stau, …) von Straßen und Infrastrukturbetreiben beziehen um diese für seine Dienste aufzubereiten und dem Kunden (Private Fahrzeuge) anzubieten. Der fSg Hersteller bezieht FCD vom Mobilitätsdienstleister und vom Straßen- und Infrastrukturbetreiber und generiert daraus fSg. Von der öffentlichen Verwaltung (GIP bzw Nachfolger) bezieht er Daten für die Attribute des Graphen. Ebenso bezieht er ergänzende Daten vom Straßen- und Infrastrukturbetreibern.

describe [1] https://ec.europa.eu/transport/themes/its/c-its_en, 04.01.2017 [2] https://www.bmvit.gv.at/service/publikationen/verkehr/gesamtverkehr/citsstrategie.html, 04.01.2017 [3] Czerwionka, P., Wang, M. (2011). Optimized Route Network Graph as Map Reference for Autonomous Cars Operating on German Autobahn. In Proceedings 5th International Conference on Automation, Robotics and Applications (ICARA), Wellington. [4] Gulgen, F., Gokgoz, T. (2008). Selection of roads for cartographic generalization. In Proceedings XXI ISPRS Congress 2008, Beijing. [5] Diederichs, F. & Pöhler, G. (2014), Driving Maneuver Prediction Based on Driver Behavior Observation. In Stanton, N., Landry, S., Di Bucchianico, G. & Vallicelli, A. (Hrsg.), Advances in Human Aspects of Transportation: Part II. AHFE Conference, Krakow, Poland.

Projektteam

Gefördert durch:
FFG - Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft
 
 
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
 
 
Partner Kontakt
Dr. Stefan Krampe krampe@trafficon.eu
Gernot Pucher MSc pucher@trafficon.eu
 
 
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Fellendorf martin.fellendorf@tugraz.at
Dipl.-Ing. Robert Neuhold robert.neuhold@tugraz.at
 
 
Dipl.-Ing. Andreas Kerschbaumer andreas.kerschbaumer@virtuellesfahrzeug.at
Dipl.-Ing. Martin Rudigier martin.rudigier@virtuellesfahrzeug.at
 
 
Dr. Jörg Pfister pfister@pwp-systems.de
 
 
Dr. Karin Kraschl-Hirschmann karin.hirschmann@siemens.com

Publikationen und Vorträge

Das Projekt LaneS wurde auf folgenden wissenschaftlichen Konferenzen vorgestellt:

AGIT 2016, 06.07. - 08.07.2016, Salzburg, Österreich

AHFE 2016, 27.07. - 31.07.2016 Orland, Florida

POSNAV 2016, 04.07. - 05.07.2016, Berlin, Deutschland

ITS EUROPE 2016, 06.06. - 09.06.2016, Glasgow, Schottland


Folgende wissenschaftliche Publikationen wurden mit Bezug auf die Projektinhalte erstellt:

Pucher, G., Dolancic, M., Neuhold, R., Haberl, M (2016): Automated estimation of lane centre lines based on FCD. In: Conference Proceedings 11th ITS European Congress, Glasgow, Scotland.

Pucher, G., Rudigier, M., Neuhold, R., Haberl, M. (2016): Einsatz und Nutzen von aus GNSS-Trajektorien abgeleiteten hochgenauen Straßenkarten im Kontext (hoch-) automatisiertes Fahren. In: Conference Proceedings AGIT 2016, Salzburg, Österreich.

Dolancic, M. (2016): Automatic lane level road network graph generation from Floating Car Data. In: Conference Proceedings AGIT 2016, Salzburg, Österreich.

Neuhold, R., Haberl, M., Fellendorf, M., Pucher, G., Dolancic, M., Rudigier, M., Pfister, J. (2016): Generating a lane-specific transportation network based on floating-car data. In: Conference proceedings 7th International Conference on Applied Human Factors and Ergonomics (AHFE), Orlando, Florida.

Pfister, J., Plank-Wiedenbeck, U., Pucher, G., Dolancic, M., Neuhold, R., Rudigier, M., Kraschl-Hirschmann, K. (2016): LaneS – FCD basierte Erzeugung von fahrstreifenfeinen Straßengraphen. In: Conference Proceedings Positionierung und Navigation für intelligente Verkehrssysteme 2016, Berlin, Deutschland.


Über das Projektende hinaus sind zum aktuellen Zeitpunkt folgende weitere Disseminationstätigkeiten geplant:

Publikation und Konferenzteilnahme HEUREKA 2017, Stuttgart, Deutschland (Paper angenommen, Vortrag)

Publikation und Konferenzteilnahme TRB Annual Meeting 2017, Washington D.C, USA (Paper angenommen, Poster)